Schlagwort-Archiv: Frauen

Bube & Dame

Hier dreht sich was

Morgen, am vierten Adventsamstag, gibt es wieder Glühwein bei „Bube & Dame“. „Hausgemacht, nach einem Rezept von meiner Mama“, sagt Melanie Deventer. Die Mama spielt in dem kleinen Eckladen in Neuhausen keine ganz unwichtige Rolle. Bei meinem ersten Besuch, an einem sehr trüben Spätnachmittag, schaukelte sie liebevoll das jüngste Enkelkind auf dem Arm. Dessen ältere Schwester sauste derweil im Tüllröckchen durch die engen Gänge. Ein Lachen und Plaudern erfüllte den ganzen Laden. Gefühlt das halbe Viertel hatte sich um die Kassentheke herum versammelt und läutete bei fröhlicher Musik das Wochenende ein. „Wenn sich was dreht, ist das immer gut“, sagt Ladeninhaberin Melanie Deventer. „Ich mag dieses Miteinander und will, dass sich hier jeder wohlfühlt.“ Das scheint ihr zu glücken. Weiterlesen

Frau Kathl

Liebe bis zum letzten Stich

Allein der Name klang schon so liebenswürdig: Frau Kathl. Mit einem winzigen roten Herzchen im Logo. Entdeckt hatte ich ihre Taschen bei Karusa, dem Laden für Handgemachtes und Besonderes in der Humboldtstraße. Locker lässige Bags, coole Straps, alles mit Liebe zum Detail. Ein paar Tage später stehe ich in einem kleinen Atelier im Westend vor ihr – fester Händedruck, fröhlich blitzende Augen – und schaue Frau Kathl beim Schneidern zu.

Mit Schwung wuchtet sie einen Ballen Stoff auf den Schneidetisch – Leo-Print, passend zum Scrunchie in ihrem leuchtend roten Haar. Türstopper drauf, damit nichts verrutscht. Schnittmuster sauber an die Kante gelegt, und schon schneidet sie energisch einmal drumherum. Kathrin Hagengruber, die sich lieber Kathl nennt, hat sich auf Taschen spezialisiert. Ihre Shopper, Bumbags und Rucksacktaschen hängen locker drapiert an einer Schneiderpuppe. Die stammt noch von ihrer Vorgängerin im Studio 81, einer Modedesignerin.

Aus einer Minibox auf dem Tisch höre ich die Stimme von Sven Regener, vom Fenster zum Hinterhof fällt Winterlicht in den Raum. An einer Pinnwand über der Nähmaschine hängen Kinderbilder, der Verkehr in der Schwanthalerstraße scheint meilenweit weg zu sein. Weiterlesen

Kuckuck

Ganz schön vielfältig

Acht Frauen tun sich zusammen, arbeiten ehrenamtlich und retten einen Kinderbuchladen. Das ist die kurze Geschichte. Die etwas längere Fassung beginnt 2021, als Miriam Tretter und Jana Schützendübel im Münchner Lehel eine Buchhandlung für Kinder eröffnen – den „Kuckuck“. Ein Herzensprojekt, mit dem Ziel: Die Regale in dem ehemaligen Lotto-Lädchen mit hochwertig illustrierten Büchern zu füllen, die nicht überall zu haben sind. Aufmerksamkeit zu schaffen für Themen, die ihnen wichtig sind. Umwelt und Nachhaltigkeit beispielsweise, aber auch die Vielfalt in unserer Gesellschaft. Mit ihrem „Zugvogel“, einem mobilen Bücherregal, sind die beiden Gründerinnen auf Festivals, Märkten und in pädagogischen Einrichtungen unterwegs. Auf internationalen Buchmessen suchen sie nach innovativen Verlagen, veranstalten Lesungen, Performances und Workshops. 2023 wird der Kuckuck als „hervorragende Buchhandlung“ mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. 

Schnell entsteht eine große Stammkundschaft. Die Kleinen lieben es, in der kuscheligen Lesehöhle in Bilderbüchern zu stöbern. Die Großen fühlen sich einfach wohl, in dem kleinen Laden mit den liebevoll bestückten, hellen Regalen. Doch nach drei Jahren ist Schluss: Im April 2024 begann der Countdown, die Inhaberinnen verkauften die noch übrigen Schätze aus ihren Regalen, verteilten Baci von der letzten Buchmesse in Bologna und zählten die Tage bis zum Ende herunter. Weiterlesen

Auge & Hand

Minikleine Papierkästchen mit Deckel, ausgesucht schön beklebt, jedes ein Unikat – es war Liebe auf den ersten Blick. Ebenso wie die Kabelbinder: Putzige Tiergesichter aus Leder, in schillernden Farben, mit Druckknöpfen als Nase. Die Schweinchen scheinen einen direkt anzusehen, aus dem weinumrankten Schaufenster in der Mannhartstraße.

Wie oft bin ich vom Büro aus an diesem kleinen Laden entlanggegangen. Aber wie es immer so ist: Dann muss es schnell gehen, die Gedanken sind eh noch ganz woanders, und zack, ist man auch schon wieder dran vorbei. Im Mai war es dann soweit: Die Tür stand offen, und ich ging hinein. Weiterlesen

#enkeltauglich

Als ihr Elternhaus verkauft wurde, butterte Sandra Uschtrin ihr komplettes Erbe in den Aufbau einer Internetplattform. Andere renovieren endlich mal die Wohnung, machen Reisen, gönnen sich was. Die Verlegerin investierte ihren Anteil in eine digitale Fair-Trade-Buchhandlung. Mutig? Mit solchen Kategorien kann die Herausgeberin und Verlegerin nicht viel anfangen. „Ich liebe es, mein Ding zu machen und Ideen umzusetzen“, sagt sie fröhlich. Das Konzept der 2014 gegründeten Autorenwelt ist einzigartig: Für jedes verkaufte Buch erhalten die Autorinnen und Autoren sieben Prozent des Ladenverkaufspreises, zusätzlich zu ihren Verlagstantiemen. „Die wenigsten können von ihren Büchern leben, dagegen wollen wir etwas tun.“

Mit 20 Kisten unterwegs

Sandra Uschtrin spricht schnell und lacht gerne während unseres Videocalls. Hinter ihr, auf dem Küchentisch, liegen Fachzeitschriften, ein neues Heft ist gerade in Arbeit. Sie wirkt aufgeräumt, obwohl ihre To-do-Liste für den Tag lang ist. Vielleicht ist das wirklich die Abwechslung! Seit einiger Zeit ist die Verlegerin als digitale Nomadin mit ihrem Bus und zwanzig Kisten unterwegs. Mal mehrere Monate hier, mal dort, meistens in Ferienwohnungen. Ein großer Topf, eine gute Pfanne und scharfe Messer sind immer dabei. „Ich habe immer von zuhause aus gearbeitet, und auch an meinem Arbeitspensum hat sich gar nichts geändert. Aber es ist schön, wenn man mittags beim Essen in der Sonne sitzen kann und noch ein bisschen was sieht.“ Weiterlesen

Frauenzimmerl

Wenn man etwas sehr lange macht, entsteht manchmal der Wunsch nach etwas Neuem. Viele Jahre lang begleitete Ingrid Stocker Kinder in ihrer Entwicklung, die oft mit Beeinträchtigungen unterschiedlichster Art zu kämpfen hatten. Eine erfüllende Aufgabe, aber auch fordernd. Als die Heilpädagogin selbst Mutter wurde, wuchs der Wunsch nach Veränderung. „Ich wollte etwas machen, das sich leicht anfühlt“, sagt sie, und schaut hinüber zu einer Kinderzeichnung. Seit zehn Jahren lehnt das Bild auf einem schmalen Bord an der Wand, zwischen einem Kleiderständer und der Ladentür. Es zeigt eine Frau mit braunem Haar in einem mit Buntstift gemalten Haus, umgeben von Schneiderpuppen, Garnspulen und Kleidern. In den Händen hält sie zwei winzig kleine, bunte Blusen. „Meine Tochter wusste vor mir, was ich wollte“, sagt Ingrid Stocker mit einem Lächeln. „Das ist mir erst viel später aufgefallen.“

Bei ihr selbst war es eher so ein Sehnen. Nach etwas Eigenem. Nach mehr Selbstbestimmung. Bei einem Bummel durchs Westend kam sie an einem Laden vorbei, der Verkäufer saß mit einem Kaffee draußen auf einer Bank. „Da wusste ich, das will ich auch!“ Weiterlesen

Die Mercerie

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 23

Ein sehr interessanter Satz, den ich an diesem späten Nachmittag höre. Es wird schon Abend, als ich die Mercerie an der Nymphenburger Straße erreiche. Hell erleuchtet liegt der Laden ein wenig nach hinten versetzt in der Dunkelheit. Ich komme hinein, in die wohlige Wärme, und schaue auf: Knöpfe. Mit Blümchen, als Herzchen oder im schlichten Schwarz, angenäht an unzählige kleine Fächer eines mehr als mannshohen Blechschranks.

Eine ganze LKW-Ladung an Fundstücken brachte Sabine Niebler-Reumann vor zehn Jahren mit zurück von ihrem Streifzug über Flohmärkte in Belgien. Sie fand Metallcontainer, Holzschränkchen, Schemel und entzückende Werbeständer für Garnspulen, die heute ausgesprochen retro wirken. Zurück in München packte die gelernte Handarbeitslehrerin den Laster aus und richtete damit ihren Wollladen ein. Weiterlesen

Schuh Hiegl

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 7

Gutscheine sind vielleicht nicht jedermanns Sache, aber wenn sie so daherkommen… Dieses zierliche Kunstwerk aus Papier fand ich im letzten Jahr unterm Weihnachtsbaum. Nur wenig später war ich stolze Besitzerin von Schuhen, die ich mir komplett selbst designt habe. Form, Farbe, Material – es war ein einziges Wünschdirwas.

Kurz nach den Festtagen stand ich bei Schuh Hiegl in der Belgradstraße. Und war beeindruckt. Noch nie hatte ich so viele extravagante Modelle auf einmal gesehen. Geblümt, im Leopardenlook oder mit Schottenkaro, in allen Farben des Regenbogens, viel Glitzer und in gewagten Kombinationen. Aber Schuh-Hiegl ist eben auch kein „normales“ Schuhgeschäft.

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Nauli

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 6

Ins Univiertel in der Maxvorstadt zieht es mich immer wieder. Das imposante und geschichtsträchtige Hauptgebäude der LMU beeindruckte mich schon als Studentin, die aus dem Münsterland nach München kam. Seit einigen Jahren laufe ich meistens ein paar Schritte weiter in die Adalbertstraße. 2018 eröffneten die beiden Schwestern Eva-Dewi und Johanna Pangestian Harahap dort ihren kleinen Laden, das Nauli. Der Name erinnert an ihre indonesische Großmutter, übersetzt bedeutet er „wunderschön“. Und das sind sie tatsächlich, die von Hand gebundenen Bücher und Alben aus feinstem Papier, die den Grundstock des kleinen Familienunternehmens legten.

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Kochgut

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 5

Inzwischen liegt mein Büro im Lehel. Manchmal steige ich am Max-Weber-Platz aus und laufe noch kurz am kleinsten Küchenkaufhaus in München vorbei. Es liegt ein bisschen versteckt, am Eingang der Schloßstraße. Schon ein Blick ins Schaufenster zeigt, dass hier jemand mit Liebe zum Detail arbeitet.

Mehr als 5000 verschiedene Artikel hält Iris Reiss in dem 1981 eröffneten Laden bereit. Man muss keine passionierte Köchin sein, um sich für ihr Angebot im Kochgut zu begeistern. Von der Spülbürste bis hin zum edlen Bräter reicht das Sortiment in den hellen Holzregalen. Als Studentin war Iris Reiss selbst Stammkundin im „Kochgut“, damals lag der Laden noch ein paar Häuser weiter. „Jeder im Viertel ging dahin“, sagt sie. „Der Laden war eine Institution.“ Das ist auch mit dem Umzug 2013 so geblieben, da hatte Iris Reiss das Geschäft gerade übernommen. Weiterlesen