Schlagwort-Archiv: kreativ

Schachinger Künstlerbedarf

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 20

Stolz recken sich die Löwen empor, im Wappen der Königlich Bayerischen Hoflieferanten. Wer es auf den Rundbogenfenstern entdeckt, erkennt sofort: Hier ist jemand schon lange im Geschäft. Seit 1877 belieferte Fritz Schachinger die Münchner Kunstszene und eben auch das Königshaus mit allem, was sie zum Malen und Zeichnen brauchten. „Der“ Schachinger zählt zu den alteingesessenen Traditionsunternehmen der Stadt.

Bis heute ist die Familie mittendrin, seit 1994 führt Karin Schachinger die Firma. Wenn viel los ist, steht auch sie mit im Laden. „Ich bin mit all dem hier aufgewachsen“, sagt sie, und schaut sich um. Das Parkett, der lange Verkaufstresen, die vielen Fächer und Schubladen, in denen Papiere, Farben und Pinsel eingeordnet sind. „Schaut mal, so sahen früher Läden aus“, hört Karin Schachinger Eltern manchmal mit ihren Kindern sprechen. Sie lacht. „Stimmt ja auch. Wo gibt es so etwas schon noch?“ Weiterlesen

Silberfisch

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 8

Bei meinem Streifzug durch das Westend komme ich beim Silberfisch vorbei. Als Tochter von Goldschmieden ist Weihnachten für mich untrennbar mit Schmuck verbunden. Hier in der Heimeranstraße arbeiten Handwerkerinnen und Handwerker aus der Gold- und Silberschmiede im Kollektiv zusammen, das hat meine Neugier geweckt.

Gründerin Alexandra von Guilleaume ist gerade mit der Weihnachtsdekoration beschäftigt, als ich den Laden erreiche. Im Schaufenster leuchten Edelsteine in allen Formen und Farben. Smaragde, Turmaline oder Mondsteine, jeder von ihnen ein Solitär. „Mit dieser Deko wollen wir zeigen, wie viele verschiedene Schliffe es gibt“, sagt die Silberschmiedin. Vorsichtig ordnet sie kleine runde Döschen, in denen jeweils ein Stein für sich allein glänzen darf, auf magnetischen schwarzen Kreisen an und stellt sie ins Schaufenster. Einzelne Steine werden gerne als Geschenk verkauft, auch in der Vorweihnachtszeit. „Nach den Festtagen verarbeiten wir sie dann nach eigenen Wünschen zu Schmuckstücken“, erzählt Alexandra von Guilleaume. „Das kommt gut an.“ Weiterlesen

siebenmachen

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr.1

Mit Sabine Puchner fing im Grunde alles an. Auf dem Märchenbazar hatte ich 2019 ihre wunderbaren Holzpostkarten entdeckt. Auf dünnes Pappelholz appliziert die Künstlerin ihre außergewöhnlichen Fotomotive, die sie auf der Straße entdeckt. Graffitis, Straßenpflaster, Fliesen aus Lissabon oder andere „zufällige Arrangements des Moments“, wie sie selbst ihre Fundstücke nennt. Jeder ihrer Hocker, Schemel, und Holzschachteln, die sie auf Flohmärkten findet, ist ein Unikat. Von ihr selbst restauriert und mithilfe von Transfertechnik mit Acryl bedruckt. Sogar die Tapete ihres eigenen Kinderzimmers, die beim Renovieren wieder zum Vorschein kam, hat die leidenschaftliche Fotografin und Handwerkerin bereits verwertet.

Weiterlesen

Zwischen Kreißsaal und Werkbank

“Meine Kunst ist für mich Selenhygiene”

Anni Rieck, Hebamme und Künstlerin

Es sind die Hände, die mir sofort auffallen. Kompakt, kräftig, ohne Ringe. Hände, die zupacken können, mit hartem Stein arbeiten, Kinder auf die Welt bringen. Anni Rieck lacht, als sie mich an ihrer Haustür begrüßt. Der überraschte Blick, den ich in ihr „Atelier mit Bett“ werfe, dürfte ihr bekannt vorkommen. Auf 64 Quadratmetern lebt und arbeitet die Künstlerin – wenn sie nicht gerade auf der Geburtshilfestation einer Münchner Klinik ist und werdenden Eltern bei der Geburt ihrer Babys hilft. Überall hängen filigrane Objekte aus Draht und Papier von der Decke. Auch in der Küche, in der ganz offensichtlich überwiegend Espresso gekocht wird. Herd und Spüle sind hier Nebensache. Wo sich andere gemütlich zu Tisch setzen würden, steht eine alte Werkbank mit metallenen Beschlägen. Tiefe Risse und Kerben haben sich ins Holz gegraben, Werkzeuge liegen griffbereit. Ein richtig schönes Stück, das den Raum dominiert und zeigt, worum es hier in erster Linie geht. „Die habe ich mir zu meinem 40. Geburtstag geschenkt“, sagt Anni Rieck. Auch drei Jahre nach dem Kauf noch ganz zappelig vor lauter Freude und Begeisterung über diesen Coup. „An dieser Bank habe ich vor langer Zeit zum allerersten Mal in meinem Leben künstlerisch gearbeitet.“

Weiterlesen

Kreativ im Quartier

„Mit dem fertig gemalten Bild hört die Kunst nicht auf“

Jürgen Enninger, Leiter des städtischen Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft in München

Was haben Architekten, Designer, Spiele-Entwickler, Musiker, Autoren, Maler, Werbeleute oder Filmemacher gemeinsam? Sie alle arbeiten in schöpferischen Berufen, meistens aus einem tiefen inneren Antrieb heraus, und schauen dabei nicht groß auf die Uhr. Leben und arbeiten lassen sich oft gar nicht so trennen – man tut das, was man tut, ja schließlich gerne! In der öffentlichen Verwaltung werden diese Berufsgruppen unter dem etwas sperrigen Begriff der „Kultur- und Kreativwirtschaft“ subsumiert. Was sehr schön zum Ausdruck bringt, dass Kulturschaffende in ihrer Gesamtheit durchaus nennenswert zum Bruttosozialprodukt beitragen. Immerhin handelt es sich um den drittgrößten Wirtschaftszeig in Deutschland, direkt nach der Automobil- und Chemieindustrie. Schade nur, dass die einzelnen Künstler und Kreativen von ihrer Arbeit kaum leben können. Buchhaltung, Preisverhandlungen und Marketing gehören in der Regel nicht zu den Kernkompetenzen freischaffender Künstler. Weiterlesen