Archiv für den Autor: Gunda Achterhold

#enkeltauglich

Als ihr Elternhaus verkauft wurde, butterte Sandra Uschtrin ihr komplettes Erbe in den Aufbau einer Internetplattform. Andere renovieren endlich mal die Wohnung, machen Reisen, gönnen sich was. Die Verlegerin investierte ihren Anteil in eine digitale Fair-Trade-Buchhandlung. Mutig? Mit solchen Kategorien kann die Herausgeberin und Verlegerin nicht viel anfangen. „Ich liebe es, mein Ding zu machen und Ideen umzusetzen“, sagt sie fröhlich. Das Konzept der 2014 gegründeten Autorenwelt ist einzigartig: Für jedes verkaufte Buch erhalten die Autorinnen und Autoren sieben Prozent des Ladenverkaufspreises, zusätzlich zu ihren Verlagstantiemen. „Die wenigsten können von ihren Büchern leben, dagegen wollen wir etwas tun.“

Mit 20 Kisten unterwegs

Sandra Uschtrin spricht schnell und lacht gerne während unseres Videocalls. Hinter ihr, auf dem Küchentisch, liegen Fachzeitschriften, ein neues Heft ist gerade in Arbeit. Sie wirkt aufgeräumt, obwohl ihre To-do-Liste für den Tag lang ist. Vielleicht ist das wirklich die Abwechslung! Seit einiger Zeit ist die Verlegerin als digitale Nomadin mit ihrem Bus und zwanzig Kisten unterwegs. Mal mehrere Monate hier, mal dort, meistens in Ferienwohnungen. Ein großer Topf, eine gute Pfanne und scharfe Messer sind immer dabei. „Ich habe immer von zuhause aus gearbeitet, und auch an meinem Arbeitspensum hat sich gar nichts geändert. Aber es ist schön, wenn man mittags beim Essen in der Sonne sitzen kann und noch ein bisschen was sieht.“ Weiterlesen

Ein bisschen wie Punk

„Fräulein Fuhr, Sie haben Hummeln im Hintern!“ Wenn sich Lisa Fuhr an den Kommentar ihrer Chefin erinnert, blitzen ihre Augen vor Vergnügen. Aus heiterem Himmel hatte die damals 29-Jährige ihren schönen Job bei einem Münchner Verlag gekündigt. „Es war eine tolle Stelle, ganz wunderbar“, erzählt sie rückblickend. „Aber ich hatte einfach das Gefühl, ich kann nicht irgendwann zurückblicken, und habe bis dahin immer nur eine Sache gemacht.“  Die Cheflektorin sollte mit ihrer Einschätzung recht behalten: Mutige berufliche Entscheidungen traf Lisa Fuhr in ihrem Leben immer wieder.

Ihre Leidenschaft gilt den Menschen

Viele Jahre arbeitete sie als Dozentin am Goethe-Institut, reiste durch die Welt, schockte ihre Freunde mit dem Entschluss, auch diese Festanstellung aufzugeben und fortan freiberuflich zu arbeiten, fertigte Übersetzungen für Fernsehsender und Untertitelfirmen an, fotografierte Frauen in Mexiko und Italiener in München, krempelte mit Anfang sechzig den Deutschunterricht an einer Gehörlosenschule um und war mit ihrer Kamera in vielen Ländern unterwegs. Ihre Leidenschaft galt vor allem den Menschen, die ihr begegneten – in Georgien, auf Zypern oder in kleinen Münchner Läden.

Auf der Suche nach dem Bildband „Mein Laden – mein Leben“, den sie 2005 zusammen mit der Autorin und Filmemacherin Ursula Jeshel herausgebracht hatte, landete ich an einem kalten Januartag in einem Hinterhof in der Türkenstraße. Eine kleine Treppe führte vom Innenhof ins Souterrain zum icon Verlag. Als ich die Glastür hinter mir zuzog, fühlte ich mich wie Alice im Wunderland. Weiterlesen

Frauenzimmerl

Wenn man etwas sehr lange macht, entsteht manchmal der Wunsch nach etwas Neuem. Viele Jahre lang begleitete Ingrid Stocker Kinder in ihrer Entwicklung, die oft mit Beeinträchtigungen unterschiedlichster Art zu kämpfen hatten. Eine erfüllende Aufgabe, aber auch fordernd. Als die Heilpädagogin selbst Mutter wurde, wuchs der Wunsch nach Veränderung. „Ich wollte etwas machen, das sich leicht anfühlt“, sagt sie, und schaut hinüber zu einer Kinderzeichnung. Seit zehn Jahren lehnt das Bild auf einem schmalen Bord an der Wand, zwischen einem Kleiderständer und der Ladentür. Es zeigt eine Frau mit braunem Haar in einem mit Buntstift gemalten Haus, umgeben von Schneiderpuppen, Garnspulen und Kleidern. In den Händen hält sie zwei winzig kleine, bunte Blusen. „Meine Tochter wusste vor mir, was ich wollte“, sagt Ingrid Stocker mit einem Lächeln. „Das ist mir erst viel später aufgefallen.“

Bei ihr selbst war es eher so ein Sehnen. Nach etwas Eigenem. Nach mehr Selbstbestimmung. Bei einem Bummel durchs Westend kam sie an einem Laden vorbei, der Verkäufer saß mit einem Kaffee draußen auf einer Bank. „Da wusste ich, das will ich auch!“ Weiterlesen

24 kleine Läden-Roadmap

Und schon sind wir in 2024 angekommen! Alle Weihnachtsgeschenke sind inzwischen ausgepackt, die Ladentüren öffnen sich nach den Feiertagen wieder. Willkommen im neuen Jahr.

Die Resonanz auf mein 24 kleine Läden-Projekt war wirklich herzerfrischend, über jeden eurer Kommentare habe ich mich riesig gefreut. Was ich besonders toll finde: Das Interesse daran zu erfahren, was hinter den vielen Ladentürchen steckt, scheint ungebrochen. Listen wurden erstellt, Ordner angelegt, um in den kommenden Wochen ganz in Ruhe in kleinen Läden shoppen zu gehen.

Roadmap für unterwegs

Aber wo anfangen? Gar nicht so leicht zu entscheiden, wenn die räumliche Vorstellung fehlt. Und so entstand zwischen den Jahren die Idee zu einer Karte, die einen Überblick über die Verteilung der Standorte im Münchner Stadtgebiet gibt. Kleine grüne Icons zeigen, wo die von mir in der Adventszeit vorgestellten 24 kleinen Läden zu finden sind – und welche Besuche sich besonders gut miteinander verbinden lassen. Wer grad im Glockenbachviertel, im Westend oder in einem anderen Münchner Viertel unterwegs ist, kann sich also mit einem Blick auf die Karte auch spontan für einen Einkaufsbummel entscheiden. Kurzinfos zu den Geschäften frischen die Erinnerung auf und beschreiben, was in welchem Laden angeboten wird und besonders ist.

Auf geht’s, würde ich sagen. Viel Spaß beim Einkaufen!

Zur 24 kleine Läden-Roadmap geht es hier.

 

 

 

Bilder: Gunda Achterhold, Leonie Achterhold

 

 

 

abgefüllt & unverpackt

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 24

Mit guten Vorsätzen ist es ja so eine Sache. Meistens sind sie schnell wieder passé. Im neuen Jahr weniger Plastik zu verbrauchen, das könnte allerdings ein guter Plan sein. Im Alltag oft schwierig umzusetzen? Ja, das finde ich auch. Heidi Triska hätte da zumindest mal ein paar Ideen, wie es gehen könnte. In ihrem kleinen Laden abgefüllt & unverpackt bietet sie Produkte an, die weitgehend ohne Plastik auskommen.

Der Name ist Programm. In den offenen Regalen stehen flüssige Putz- und Spülmittel in großen Kanistern. Ein Kunde lässt sich gerade  seine Vorräte wieder auffüllen, die Behälter hat er mitgebracht. Die Produkte werden ohne Tenside hergestellt und belasten das Grundwasser nicht. In der Luft liegt ein feiner, frischer Duft. Weiterlesen

Die Mercerie

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 23

Ein sehr interessanter Satz, den ich an diesem späten Nachmittag höre. Es wird schon Abend, als ich die Mercerie an der Nymphenburger Straße erreiche. Hell erleuchtet liegt der Laden ein wenig nach hinten versetzt in der Dunkelheit. Ich komme hinein, in die wohlige Wärme, und schaue auf: Knöpfe. Mit Blümchen, als Herzchen oder im schlichten Schwarz, angenäht an unzählige kleine Fächer eines mehr als mannshohen Blechschranks.

Eine ganze LKW-Ladung an Fundstücken brachte Sabine Niebler-Reumann vor zehn Jahren mit zurück von ihrem Streifzug über Flohmärkte in Belgien. Sie fand Metallcontainer, Holzschränkchen, Schemel und entzückende Werbeständer für Garnspulen, die heute ausgesprochen retro wirken. Zurück in München packte die gelernte Handarbeitslehrerin den Laster aus und richtete damit ihren Wollladen ein. Weiterlesen

Laden_Grafik_Kunst

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 22

Mit einem appetitlichen Stück Müller-Thurgau in der Tasche verlasse ich die Käsemaus in der Schulstraße, wende mich kurz nach rechts und stehe vor einem ausgesprochen blickfangreichen Schaufenster. Wow, das ist ja mal ein tolles Küchenbüffet, denke ich beim Hineinblinzeln durch die Scheibe. Voll der 50er Retro-Style. Was es dort sonst wohl noch gibt… Es sieht interessant aus dadrinnen, aber so richtig einordnen kann ich es nicht.

Mir fällt ein, was ich auf meinen Streifzügen durch kleine Läden häufiger hörte: Nicht selten stehen Menschen vor den Fenstern, schauen interessiert hierhin und dorthin, und gehen dann doch weiter. Als wäre da eine Hemmschwelle, die sie daran hindert, einfach hineinzugehen und sich umzuschauen. Warum eigentlich? Kurzentschlossen drücke ich gegen die Eingangstür – und kann nur sagen: Das war eine richtig gute Idee! Weiterlesen

Die Käsemaus

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 21

Fan-Galerie: Das Logo der kleinen Käsemaus führt im Viertel längst ein Eigenleben.

An der Journalistenakademie, für die ich seit vielen Jahren als Dozentin arbeite, gibt es eine schöne Tradition: Jeder Jahrgang wird mit einem kleinen Käsebüfett verabschiedet, das Institutsleiter Peter Lokk ein paar Ecken weiter bei der Käsemaus besorgt. Der Laden ist in dem Neuhausener Viertel eine Institution – was sich auch an ihrer Nicht-Präsenz im Netz erkennen lässt. „Eine Website brauche ich nicht“, sagt Yvonne Schulz. Und zerteilt beherzt ein Stück Trüffelkäse.

Wer vor den mächtigen Festtagsessen einen schön unkomplizierten Imbiss schätzt, könnte bei ihr an der richtigen Adresse sein. Käse, ein paar Dips, frisches Brot und Wein – was braucht es mehr? Eine Mousse au Chocolat oder Orangentiramisu als Dessert stehen auch in der Kühlung. Weiterlesen

Schachinger Künstlerbedarf

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 20

Stolz recken sich die Löwen empor, im Wappen der Königlich Bayerischen Hoflieferanten. Wer es auf den Rundbogenfenstern entdeckt, erkennt sofort: Hier ist jemand schon lange im Geschäft. Seit 1877 belieferte Fritz Schachinger die Münchner Kunstszene und eben auch das Königshaus mit allem, was sie zum Malen und Zeichnen brauchten. „Der“ Schachinger zählt zu den alteingesessenen Traditionsunternehmen der Stadt.

Bis heute ist die Familie mittendrin, seit 1994 führt Karin Schachinger die Firma. Wenn viel los ist, steht auch sie mit im Laden. „Ich bin mit all dem hier aufgewachsen“, sagt sie, und schaut sich um. Das Parkett, der lange Verkaufstresen, die vielen Fächer und Schubladen, in denen Papiere, Farben und Pinsel eingeordnet sind. „Schaut mal, so sahen früher Läden aus“, hört Karin Schachinger Eltern manchmal mit ihren Kindern sprechen. Sie lacht. „Stimmt ja auch. Wo gibt es so etwas schon noch?“ Weiterlesen

Clara Niggl

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 19

In der Adventszeit liebe ich es, noch ein bisschen durch die Dämmerung zu laufen und in die hell erleuchteten Schaufenster zu schauen. Gerne gehe ich die Rumfordstraße entlang, an der Kreuzung zum Viktualienmarkt bleibe ich immer einen Moment stehen und schaue hinüber zu Clara Niggl. Die alten, geschwungenen Werbeinschriften „Damenwäsche. Strümpfe“ auf der einen Seite, „Alles für den Herrn“ auf der anderen, sind so schön nostalgisch. Mitten im szenigen Gärtnerplatzviertel wirkt das kleine Modeatelier am Eck anziehend und heimelig auf mich. Weiterlesen