Die Mercerie

24 kleine Läden – Ladentürchen Nr. 23

Ein sehr interessanter Satz, den ich an diesem späten Nachmittag höre. Es wird schon Abend, als ich die Mercerie an der Nymphenburger Straße erreiche. Hell erleuchtet liegt der Laden ein wenig nach hinten versetzt in der Dunkelheit. Ich komme hinein, in die wohlige Wärme, und schaue auf: Knöpfe. Mit Blümchen, als Herzchen oder im schlichten Schwarz, angenäht an unzählige kleine Fächer eines mehr als mannshohen Blechschranks.

Eine ganze LKW-Ladung an Fundstücken brachte Sabine Niebler-Reumann vor zehn Jahren mit zurück von ihrem Streifzug über Flohmärkte in Belgien. Sie fand Metallcontainer, Holzschränkchen, Schemel und entzückende Werbeständer für Garnspulen, die heute ausgesprochen retro wirken. Zurück in München packte die gelernte Handarbeitslehrerin den Laster aus und richtete damit ihren Wollladen ein.

Ihre Kunden kommen von überall her. „Stricker schauen immer wo ein Wollladen ist, wenn sie auf Reisen sind.“ Das ist der Satz, über den ich nicht hinwegkomme. Die Mercerie-Chefin sagt ihn ruhig lächelnd, als sei es das Normalste auf der Welt, auch unterwegs immer Stricknadeln in Bewegung zu halten. Faszinierend.

Stricken macht den Kopf frei

Vielleicht muss man wissen, dass an mir schon viele Handarbeitslehrerinnen verzweifelt sind. Aber ich bewundere, was Menschen in meinem Umfeld aus ein bisschen Wolle zaubern können. „Stricken ist so cool“, sagt Sabine Niebler-Reumann. „Das wollte ich zeigen.“ In den Gängen und an Regalen hängen Pullover, Mützen oder Jacken, die sie von Strickerinnen fertigen lässt. Wer die Wolle kauft, erhält die Strickanleitung kostenlos dazu.

Als „Mercerie“ wird im Französischen eine Kurzwarenhandlung bezeichnet. Neben größtenteils handgefärbten Garnen gibt es hier in Nymphenburg-Neuhausen Zubehör für alle möglichen Formen der textilen Handarbeit, vom DIY-Kit für gehäkelte Tierchen bis hin zum Stick-Set. „Wir wollen wissen, wo die Wolle herkommt, wie sie verarbeitet ist und von welchem Tier sie stammt“, sagt die Mercerie-Chefin. „Bei uns gibt es deshalb Garne, die man nicht überall kaufen kann.“

Im Café, das in den Laden integriert ist, sitzt ein Mann bei einer Tasse Kaffee und strickt. „Tagsüber kommen hier viele zusammen, stricken oder häkeln, und unterhalten sich dabei”, erzählt Sabine Niebler-Reumann. Etwas mit den Händen zu machen, tue einfach gut, das merkt sie auch an sich selber. Es mache den Kopf frei. „Wenn ich abends hier fertig bin, ist es meine Belohnung, auf dem Sofa zu sitzen und noch ein bisschen zu stricken.“

 

Bilder: Gunda Achterhold

 

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