#enkeltauglich

Als ihr Elternhaus verkauft wurde, butterte Sandra Uschtrin ihr komplettes Erbe in den Aufbau einer Internetplattform. Andere renovieren endlich mal die Wohnung, machen Reisen, gönnen sich was. Die Verlegerin investierte ihren Anteil in eine digitale Fair-Trade-Buchhandlung. Mutig? Mit solchen Kategorien kann die Herausgeberin und Verlegerin nicht viel anfangen. „Ich liebe es, mein Ding zu machen und Ideen umzusetzen“, sagt sie fröhlich. Das Konzept der 2014 gegründeten Autorenwelt ist einzigartig: Für jedes verkaufte Buch erhalten die Autorinnen und Autoren sieben Prozent des Ladenverkaufspreises, zusätzlich zu ihren Verlagstantiemen. „Die wenigsten können von ihren Büchern leben, dagegen wollen wir etwas tun.“

Mit 20 Kisten unterwegs

Sandra Uschtrin spricht schnell und lacht gerne während unseres Videocalls. Hinter ihr, auf dem Küchentisch, liegen Fachzeitschriften, ein neues Heft ist gerade in Arbeit. Sie wirkt aufgeräumt, obwohl ihre To-do-Liste für den Tag lang ist. Vielleicht ist das wirklich die Abwechslung! Seit einiger Zeit ist die Verlegerin als digitale Nomadin mit ihrem Bus und zwanzig Kisten unterwegs. Mal mehrere Monate hier, mal dort, meistens in Ferienwohnungen. Ein großer Topf, eine gute Pfanne und scharfe Messer sind immer dabei. „Ich habe immer von zuhause aus gearbeitet, und auch an meinem Arbeitspensum hat sich gar nichts geändert. Aber es ist schön, wenn man mittags beim Essen in der Sonne sitzen kann und noch ein bisschen was sieht.“

Herausgeberin, Verlegerin, Autorin: „Artikel und Bücher transportieren Ideen, rütteln auf. Ich habe ihnen und damit denen, die sie schreiben, sehr viel zu verdanken.“

Die Idee, mit der Autorenwelt ein Netzwerk für Autorinnen und Autoren zu gründen, fiel nicht vom Himmel. Seit inzwischen drei Jahrzehnten macht sich Sandra Uschtrin für jene in der Buchbranche stark, auf deren Arbeit die gesamte Wertschöpfungskette basiert, die Worturheberinnen und Worturheber. 1996 gründete Sandra Uschtrin ihren eigenen Verlag, um das „Handbuch für Autorinnen und Autorinnen“ selbst herausgeben zu können – die erste Ausgabe des Standardwerks hatte sie bereits als Praktikantin im Grafenstein Verlag betreut. Mit der Federwelt und dem selfpublisher kamen über die Jahre zwei Fachzeitschriften dazu.

Dabei dachte sie von Anfang an politisch. Nur ein paar Steinwürfe von der DDR entfernt aufgewachsen, beschäftigte sich Sandra Uschtrin schon am Ostseegymnasium Timmendorfer Strand mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen und überlegte, wie sich eine Zukunft zum Wohle aller gestalten lassen könnte. Das Geschäftskonzept der Autorenwelt, an dem neben anderen auch ihr Sohn beteiligt ist, knüpft nahtlos daran an. Seit 2021 ist die GmbH ein Unternehmen in Verantwortungseigentum, Gewinne werden nicht privatnützig ausgeschüttet, sondern reinvestiert oder für gemeinwohlorientierte Zwecke verwendet.

Bücher prägen, Wissen ist Macht

„Mit der Autorenwelt schaffen wir ein Forum, in dem sich Autorinnen und Autoren informieren und untereinander austauschen können“, betont Uschtrin. Handfeste Informationen und Wissen („Was sollte in einem guten Verlagsvertrag stehen?“), Branchen-News, Fachartikel und Tipps zu Ausschreibungen oder Selbstmarketing erleichtern ihnen ihre Arbeit und unterstützen sie darin, gegenüber Verlagen und Online-Händlern selbstbewusst aufzutreten. „Es bereitet mir schon eine innere Befriedigung, wenn ich sehe, was wir mit diesen sieben Prozent erreichen“, sagt die Verlegerin. Voraussetzung für die Beteiligung der Autorinnen und Autoren am Umsatz ist die Teilnahme am Autorenwelt-Programm, andernfalls landet der Betrag in einem virtuellen Geldtopf. Dessen Inhalt geht an den Förderverein Buch e. V., der eng mit dem Netzwerk Autorenrechte zusammenarbeitet. „Von diesem Geld werden dort eine Teilzeitkraft bezahlt und Reisen, um in Brüssel oder Berlin Lobbyarbeit für Autoren zu machen“, erzählt Uschtrin. „Und das finde ich richtig cool!“ Einen kurzen Moment stellt sie sich vor, Marktführer wie Thalia nähmen sich ein Beispiel daran – und rechnet schon mal blitzschnell hoch. Aber gut. Kleiner Ausflug in die Utopie.

Im Hier und Jetzt steht an diesem Tag noch einiges an – mit der Druckerei sprechen, News aus der Fachwelt für den nächsten Autorenwelt-Impuls recherchieren, mit ihrer rechten Hand Anke Gasch telefonieren. Die Chefredakteurin der „Federwelt“ lebt in der Nähe von Düsseldorf, ihre Grafiker am Starnberger See. Meetings sind digital, das Material liegt auf einer Cloud. „Unser Team könnte genauso gut in England leben, das ist bei dieser Art zu arbeiten komplett egal“, sagt Sandra Uschtrin. „Und das ist das Schöne.“

 Acht Jahre ohne Urlaub

Ihr Buch „Schreiben mit ChatGPT“ schrieb Sandra Uschtrin am Bodensee, wo sie das Haus von Freunden hütete – plus zwei Kaninchen und eine Katze. Die hat es, in die Sonne blinzelnd und wohlgenährt, bis aufs Cover geschafft.

Im Moment genießt sie den Frühling in einer malerischen Landschaft. Osterglocken und Mandeln sind schon verblüht, aber der Lorbeer steht in voller Pracht und die Badesaison lässt grüßen. Die Sehnsucht zu reisen, Neues zu entdecken und ein bisschen unterwegs zu sein, war in den vielen Jahren ohne Urlaub immer größer geworden. „Nur zur Leipziger Buchmesse war man mal eine Woche weg und hatte danach ewig viel zu tun, weil in der Zwischenzeit alles liegengeblieben war.“ Den Versand der Bücher und Magazine hat die Verlegerin outgesourct und damit Freiheit gewonnen. „Zu wissen, dass man nicht gleich in zehn Tagen wieder weg muss, ist grandios. Das Schöne an dieser Art zu leben ist, immer wieder Neues zu entdecken und trotzdem alles in einem Tempo zu machen, das zur Arbeit passt.“

Fühlt es sich freier an? Sandra Uschtrin überlegt, schaut in die Luft. Ja, manchmal zwickt sie sich und kann kaum fassen, dass das alles wirklich wahr ist. Manches sieht sie vom Ausland aus betrachtet gelassener, und dass das Wetter besser ist, findet sie auch nicht schlecht. Aber letztlich sei eben auch immer viel zu tun. „Und was auf dem Monitor zu sehen ist, ist überall gleich, egal, von wo aus ich arbeite.“ Dafür sind die Pausen schöner. Wir winken uns zum Abschied zu, dann verschwindet Sandra Uschtrin zum Lunch in der Sonne. Was hatte sie gesagt? Kreta im Winter könne sie sich gut vorstellen. Die Ideen gehen dieser Frau sicher so schnell nicht aus.

 

 

Bilder: Wortwolke 24, Sabine Jakobs (Porträt), Uschtrin Verlag (Cover).

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