“Man muss der Typ dafür sein!”
Räume zu schaffen, in denen das Arbeiten für Frauen ein Traum ist. Mit diesem Ziel ist Kristina Schmid vor neun Jahren als Unternehmerin angetreten. Ein nur unvollständig vermieteter Bürokomplex gab den Anstoß für die Geschäftsidee: Die heute 43-jährige Diplom-Kauffrau gründete das Businesscenter „Mein Arbeits(t)raum“ und richtete sich mit ihrem Angebot gezielt an Frauen. Für das Unternehmerinnen-Magazin existenzielle führte ich ein Jahr nach dem Start ein Gespräch mit ihr. Was mir bei meinem Besuch besonders auffiel, war die heimelige Atmosphäre in der Lounge des Businesscenters. Und ein großzügig eingerichtetes Spielzimmer, in dem nur eines fehlte: die Kinder. Eine Betreuung direkt im Haus, angeboten von Erzieherinnen auf selbstständiger Basis, das war der Plan. Doch die Rechnung ging nicht auf. Es blieb nicht der einzige Punkt, an dem die Geschäftsführerin umdenken musste.
Frau Schmid, Sie sind jetzt seit neun Jahren Chefin. Haben Sie sich als Unternehmerin verändert?
Ja, absolut. In die Rolle bin ich nach und nach hineingewachsen, es war ja nicht ganz freiwillig. Vor der Familienphase hatte ich gekündigt, da war also kein Arbeitgeber, zu dem ich zurückgehen konnte. Einen interessanten Teilzeitjob zu finden, mit zwei Kleinkindern im Schlepptau, und dann noch zu sagen: Ich würde mich gerne umorientieren, weil das, was ich vorher gemacht habe, macht mir keinen Spaß – schwierig.
Und heute?
Inzwischen ist es genau umgekehrt, ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, als Angestellte zu arbeiten. Inzwischen bin ich es gewohnt, Entscheidungen selber zu treffen und sie nicht mehr von irgendjemandem abhängig zu machen. Natürlich berate ich mich mit vielen Leuten und hole mir Ideen. Aber letztendlich mache ich es, wie ich meine, und nicht wie ein Chef es meint.
Das klingt verlockend.
Ich muss aber auch sagen, dass ich mir ein sehr familienfreundliches Modell ausgedacht habe. Wenn ein Kind krank ist, bleibe ich zu Hause und ich kann mir in den Ferien Zeit für sie nehmen. Erstens muss ich meine Arbeit nicht zwingend hier machen und zweitens halten meine Damen den Laden am Laufen, wenn ich nicht da bin. Nicht jede Selbstständige hat diesen Luxus, das ist schon ein Spezialfall.
Wie groß die Angst vor der Selbstständigkeit sein kann, merkten Sie bei der Suche nach Erzieherinnen für den „Arbeits(t)raum“.
Das war wirklich sehr frustrierend. Ursprünglich hatte ich mir vorgestellt, dass Erzieherinnen auf selbstständiger Basis eine Kinderbetreuung anbieten. Denn da gehen die Probleme vieler selbstständiger Frauen erst richtig los. Was tun, wenn sie keinen Krippenplatz finden oder Ferien überbrückt werden müssen? Sogar das Jugendamt war von dem Vorschlag begeistert. Aber ich fand keine Erzieherinnen, die bereit waren das unternehmerische Risiko zu tragen. Es hatten sich zwar einige Frauen beworben, aber mit völlig unrealistischen Vorstellungen. Sie dachten, wir zahlen alles. Die Idee mussten wir deshalb leider wieder aufgeben.
Auch Ihre Zielgruppe erwies sich als schwierig. Sind Frauen zu vorsichtig?
Männer tun sich deutlich leichter, Geld in die Hand zu nehmen und sich ein professionelles Umfeld zu schaffen. In Haidhausen betreibe ich auch einen Standort, der von Anfang an für Frauen wie Männer offen war, deshalb hatte ich den direkten Vergleich. Die Vermietung lief dort von Anfang an reibungslos, fast ausschließlich an Männer. Frauen gehen eher auf Sicherheit, das beobachte ich immer wieder. Und ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn eine Kleinunternehmerin anfangs die Kosten gering halten will. Ohne die Möglichkeit, auf finanzielle Ressourcen zurückzugreifen, bleibt einem ja auch gar nichts anderes übrig. Entscheidend ist die Perspektive: Wenn ich einen Plan habe, wie es weitergehen soll, kann es ein Weg sein, klein anzufangen. Irgendwo muss man ansetzen.
Hatten Sie von Anfang an einen klaren Plan?
Für mich stand fest: Familie und Unternehmen, das muss zusammen gehen. Da ich zwei kleine Kinder hatte, war es mir wichtig abkömmlich zu sein. Deshalb bin ich in Vorleistung gegangen und habe mir Personal geleistet, das ich eigentlich gar nicht erwirtschaftet habe. Mein großer Vorteil ist: Ich tausche nicht Arbeitszeit gegen Arbeit. Wer als Produkt eine Dienstleistung verkauft und als Arbeitskraft ausfällt, verdient nichts. Das ist bei mir Gott sei Dank nicht so. Mein Geschäft läuft weiter, ob ich etwas tue oder nicht. Vorher war mir das nicht bewusst, aber im Nachhinein bin ich sehr froh, dass es so ist.
Für diese größere Freiheit sind Sie allerdings auch ein größeres Risiko eingegangen.
Das ist richtig. Wenn ich daran denke, was für Kredite ich laufen hatte… Aber die Rechnung ist aufgegangen. Und wer nicht bereit ist ein Risiko zu tragen, für den ist die Selbstständigkeit der falsche Weg. Man muss der Typ dafür sein und den Druck auch aushalten können!
Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter?
Eine riesengroße, ohne sie würde das hier nicht gehen. Ich kann guten Gewissens weggehen und weiß, es klappt. Es gab zwar wenig Fluktuation, aber nicht alle Mitarbeiter waren gleichermaßen verlässlich. Und das hat mein Stresslevel ganz schön erhöht.
Kriegt man ein Auge dafür, wer zuverlässig ist?
Glück spielt eine große Rolle. Und inzwischen höre ich auch mehr auf meinen Bauch. Wenn im Gespräch alles super klingt, aber ein ungutes Gefühl mitschwingt, dann höre ich drauf. Das habe ich früher nicht getan. Da habe ich dem Druck, unbedingt jemanden finden zu müssen, eher nachgegeben. Bei Mietern ist das übrigens auch so.
Sie haben schnell Konsequenzen gezogen und nehmen seit 2010 auch Männer auf. Wie sieht die Mischung jetzt aus?
Ausgeglichen, würde ich sagen. Witzig war: Kaum hatte ich das Konzept abgeändert, kamen erstmal nur Frauen! Rückblickend war es wertvoll, dass ich so begonnen habe, weil es uns viel Aufmerksamkeit gebracht hat. Die hätte ich nicht bekommen, wenn ich irgendein Businesscenter aufgemacht hätte. Aber es war dann auch der richtige Weg, es zu öffnen. Ich finde es selber angenehmer, wenn es durchmischt ist.
Wie wichtig ist Flexibilität in Ihrem Geschäft?
Sehr wichtig! Nicht umsonst sagt das Sprichwort „Versuch macht kluch!“. Ich habe immer mal wieder was eingeführt und ausprobiert, wenn Räume frei waren. Zwischenzeitlich haben wir auch kostengünstigere Arbeitsplätze in Dreierbüros angeboten, aber nur sehr kurzfristig. Auch die werden erst nachgefragt, seitdem es sie nicht mehr gibt! Was ich festgestellt habe: Ich tu mich einfach schwer etwas zu verkaufen, was ich selber nicht nutzen würde. Ich möchte auch nicht in einem Großraumbüro sitzen und mir die Kundengespräche anderer anhören. Meine Tür steht immer offen. Aber wenn ich wirklich meine Ruhe will oder etwas Vertrauliches zu besprechen habe, habe ich einen Raum für mich. Das ist mir wichtig.
Im nächsten Jahr steht das 10-Jährige an, in dieser Zeit haben Sie viele kommen und gehen sehen. Beispiele, die zeigen, wie Selbstständigkeit klappen kann?
… und wie sie scheitern kann. Hatte ich auch alles schon. Es ist so schade, jemanden zu sehen, der fachlich gut arbeitet, aber es einfach nicht hinkriegt.
Woran liegt das, erkennen Sie da Muster?
Kann ich gar nicht so sagen, das ist ganz unterschiedlich. Teilweise liegt es an falschen Vorstellungen, teilweise auch an zu wenig Durchsetzungsvermögen. Was ich häufig beobachte ist, dass sich gerade Frauen schwer tun, realistische Preise aufzurufen. Oder sich an die Wand verhandeln lassen. Naja, und wenn man dann sein Produkt für ´nen Appel und ein Ei anbietet, wird’s irgendwann schwierig.
Das heißt Preise werden nicht realistisch kalkuliert und/oder nicht durchgesetzt?
Ja, viele zweifeln und sind unsicher: Kann ich das wirklich verlangen…. Das Pendel schlägt aber auch in die andere Richtung aus. Ich habe selbst schon Dienstleistungen angefragt und dachte mir, das ist ja völlig jenseits von Gut und Böse, was steckt dahinter? Die Preisgestaltung ist und bleibt eine Gratwanderung. Was ist der Kunde bereit zu zahlen, was ist es ihm wert? Und was muss ich erlösen, damit es für mich realistisch ist? Viele tendieren dazu, entweder zu viel oder zu wenig zu verlangen.
Was zeichnet erfolgreiche Selbstständige aus?
Ich stelle immer wieder fest, dass Menschen, die von Haus aus ein eher positives Gemüt besitzen, weniger Ärger haben.
Weniger Ärger im Geschäft?
Ja. Ich habe mich erst kürzlich mit jemandem unterhalten, der relativ viel Ärger mit Kunden hat, und habe mich gefragt, woran das liegen könnte. Und dann habe ich gedacht: Das ist ja auch überhaupt kein entspannter Typ, immer so ein bisserl verbiestert. Ich glaube es kommt schon rüber, wenn man selber Zufriedenheit ausstrahlt. Das ist natürlich nicht alles. Aber ich habe den Eindruck, dass Leute, die gelernt haben, auch mit schwierigen Phasen gelassen umzugehen und zu sagen, okay, das wird schon wieder – da wird es dann auch eher wieder. Als Dienstleister hat man mit Menschen, mit Kunden zu tun. Da spielt die Persönlichkeit eine große Rolle.
Viele dieser Erfahrungen hatten Sie vermutlich nicht auf dem Schirm, als Sie anfingen.
Überhaupt nicht.
Ist es schwieriger oder weniger schwer, als Sie sich das vorgestellt haben?
Weniger schwierig, würde ich sagen. Ich hatte durchaus mit mehr Stress gerechnet. Wobei man im Nachhinein auch gerne was verklärt. In der Anfangszeit habe ich schon wirklich viel Zeit investiert, so easy war es auch nicht. Aber es war nie existenzgefährdend – und das war super. Ich stand nie mit dem Rücken an der Wand. Sagen wir also: Es war „schaffbar“ viel. Und ich hatte ja auch damit gerechnet, dass die Selbstständigkeit anstrengend ist. Jetzt läuft es stabil und ich habe wieder Freiheiten.
Haben Sie Ziele?
Nicht das Ziel, jetzt noch einen zusätzlichen Standort aufzumachen. Wenn, dann eher eine Expansion innerhalb der Häuser, sowas schon. Ansonsten genieße ich gerade die stabile Phase und ruhe mich ein wenig auf den Lorbeeren aus. Ich überlege mir natürlich schon, was wir machen könnten. Aber… Grad heute Früh rief eine Kollegin an, die erkrankt war. Deshalb war ich am Morgen drüben im Standort Haidhausen und habe geguckt, ob die Küche in Ordnung ist. Ich habe halt einen Anspruch, dem ich gerecht werden will. Und mit zwei Häusern geht das noch.
Die entspannte Phase zu genießen ist sicher keine schlechte Voraussetzung, um den Job auch zwanzig oder dreißig Jahre gerne zu machen.
Ja – und früher oder später wird sich wieder etwas ergeben. Ich sage niemals nie, wer weiß, was für ein Zufall daherkommt.
Bild: Alexander Rüffer
Was Kristina Schmid unter Coworking versteht und warum es an der Fassade ihres Businesscenters noch zu lesen ist, das lesen Sie auf meiner Website unter Mobile Office.