Schlagwort-Archiv: Mut

“Das halten wir durch!”

Im Sommer 2018, als Corona noch ein Bier war, verbrachten Tamás Micsutka und Kitti Angyal viel Zeit alleine auf ihrer schönen Außenterrasse und verstanden die Welt nicht mehr. Nach vielen Jahren Fernbeziehung war das Paar frisch verheiratet, die beiden hatten ihr Erspartes in die Hand genommen und sich einen Traum erfüllt: ein eigenes Lokal, idyllisch gelegen bei Mittenwald. Mit viel Liebe richteten sie es ein und fühlten sich am Ziel. Die schöne Gegend ist als Ausflugsziel sehr beliebt, fröhlich winkend kamen täglich viele Fahrradfahrer vorbei – und fuhren weiter. „Manchmal hatten wir nur dreißig Gäste, kaum jemand blieb zum Essen“, erzählt Tamás, der 2012 als Koch aus Ungarn nach Deutschland gekommen war. „Das war echt hart.“ Tag für Tag stand er in der Küche und bereitete Speisen vor, die nicht geordert wurden. „Wir lagen etwas zu abseits der Stadt, für eine Zwischenmahlzeit dann aber auch wieder zu nah.“

Ein Anruf aus München brachte die Wende. Mitte 2019 übernahmen die jungen Wirtsleute das Herr Lichtenberg, eine gut gehende Cantineria auf dem Garchinger Campus der Technischen Universität. Schon nach wenigen Monaten hatte sich alles erfreulich eingespielt. „Im März war ein Zeitpunkt erreicht, wo wir wieder planen und ernsthaft an ein Kind denken konnten“, so Kitti. Zur Entlastung stellten sie einen zusätzlichen Koch ein.

Dann kam Corona. Und der erste Lockdown legte auch das Leben auf dem Hochschulcampus komplett still. Weiterlesen

Auf Maß geschneidert

„Gezaubert wird im nächsten Leben!“

Carola Sonnenburg, Erzieherin, Bürokauffrau und Schneiderin

O´zapft is! Und wie in jedem Jahr zum Oktoberfest dirndelt es in den Münchner U-Bahnen und Straßen wieder ganz kräftig. Der Hotspot des Trachten-Treibens ist vom Glockenbachviertel zwar weit genug entfernt. Die Vorboten des Mega-München-Events habe ich jedoch schon seit Wochen fest im Blick: Von meinem Schreibtisch aus sehe ich direkt ins Schaufenster von Carola Sonnenburg, auf ihre Dirndl, Trachtenblusen oder Schürzen in wechselnden Arrangements. Hier, in der kleinen Schneiderei, fängt die Wiesn-Zeit schon im Frühjahr an, wenn die ersten Teile entworfen und genäht werden. Jetzt, in der heißen Phase, fallen selbst die Zigarettenpausen immer kürzer aus. Ein paar Minuten auf der kleinen Stufe vor dem Laden und schon wirft sich Carola Sonnenburg das Maßband wieder um den Hals. Von meinem Platz am Fenster aus habe ich beobachten können, wie sehr sich ihr Geschäft verändert hat. Vor zweieinhalb Jahren wechselte die Schneiderin den Standort und mietete das Ladenlokal in der Jahnstraße an – „mit Bauchschmerzen!“. Die sind weg.

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Verlegerin mit Sinn fürs eBook

“Als Unternehmerin kann ich meine eigenen Regeln aufstellen”

Beate Kuckertz, Gründerin des dotbooks Verlags

New York, im Juni 2009. Beate Kuckertz trifft eine Literaturagentin in New York, als der legendäre Virgin Megastore die letzten noch verbliebenen Platten und das Mobiliar verramscht. Das Aus für den letzten großen Musikladen in ganz Manhattan trifft die Besucherin aus Deutschland ins Mark. „Die dramatischen Veränderungen auf dem Musikmarkt zeichneten sich damals schon länger ab“, stellt sie rückblickend fest. „Diese Schließung war dennoch ein einschneidendes Erlebnis für mich – und ein Vorbote dessen, was auch auf die Buchbranche zukommen würde.“ Desillusioniert kehrte die Verlagsleiterin, die bei der Münchner Verlagsgruppe Droemer Knaur für die belletristischen Programme zuständig war, nach Deutschland zurück. „Ich hatte einen wirklich großartigen Job und fand die Aufgabe immer sehr inspirierend“, betont die heute 52-Jährige. „Aber trotz der absehbaren Krise ging alles weiter wie gehabt.“ Im Jahr darauf hatte Beate Kuckertz genug von der Scheuklappen-Mentalität ihrer Branche. Nach zwölf Jahren kündigte sie ihre Stelle bei der Unternehmensgruppe. Ohne einen Plan B in der Tasche zu haben.

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