Mein erster Auftritt als Figurenspielerin

Antje Töpfer, diplomierte Figurenspielerin

Ein Schauspieler hat nur sich selbst als Material, um seine Rolle daraus zu formen. Der Reiz am Figurenspiel liegt für mich darin, dass ich immer ein Objekt habe, mit dem ich arbeiten kann. In meiner aktuellen Inszenierung lasse ich mich zum Beispiel von einer meterlangen Papierfigur inspirieren, die ich selber gebaut habe. Es ging um das Zusammenspiel von Körper und Material. In meiner allerersten eigenen Produktion nach dem Diplom waren Lautsprecher  meine einzigen Mitspieler. In dem Solostück beschäftigte ich mich mit der Isolationshaft von Ulrike Meinhof. Was macht dieses Alleinesein mit einem Menschen? Das war die Frage, der ich nachgehen wollte. Ich trug ein magnetisches Kostüm mit Schnallen, die Lautsprecher, aus denen Stimmen und Geräusche kamen, hafteten an meinem Körper. Ich bewegte sie und sie bewegten mich. Trotzdem war es für mich neu, so exponiert als Figur auf der Bühne zu stehen, ohne eine Puppe oder eine Maske, hinter der ich mich verstecken kann.

Es war ein besonderer Moment, nach der Ausbildung nun tatsächlich auf einer öffentlichen Bühne zu stehen. Natürlich war ich angespannt. Aber ich habe diesen Augenblick, in dem ich zum ersten Mal auf die Bühne ging und alleine vor dem Publikum stand, als eine Befreiung empfunden! Da saßen Menschen, die sich tatsächlich für meine Arbeit interessierten und mein Stück sehen wollten. Nach all den Jahren der Ausbildung, in denen man sich fragt, ob man den Absprung schaffen wird und wie das gehen kann, ist das eine Erlösung. Dieser erste Aufritt gab mir das gute Gefühl: Ja, ich kann das schaffen. Ich stehe hier und mache als Künstlerin genau das, was ich machen will.  Gerade am Anfang hätte ich auch auf Nummer sicher gehen können, mit einem kleinen, weniger experimentellen Stück. Aber ich habe mich getraut, etwas Eigenes auf die Bühne zu stellen. Und zu sehen, dass es funktioniert, war für mich eine ganz wichtige Erfahrung!

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Eine szenischen MenschenKörperCollage: Antje Töpfer in dem Stück “Pandora Frequenz”. Foto: Helmut Pogerth

Das Lampenfieber vor einer Aufführung gehört dazu. Man muss mich nicht auf die Bühne prügeln, aber es braucht schon eine gewisse Anspannung, um da stehen zu können. Bei den Auftritten, an die ich mich eher ungern erinnere, fehlte genau das. Gerade bei Stücken, die man sehr häufig spielt und an denen nicht weiter gearbeitet wird, stellt sich irgendwann so ein Job-Gefühl ein. Beim Solo ist das anders, da richtet sich die Aufmerksamkeit immer voll auf mich und ich trete unmittelbar mit dem Publikum in Kontakt. Jeder Abend ist anders, manchmal ergeben sich auch völlig unvorhergesehene Situationen. Letztens ist dem Musiker, der mit mir zusammen auf der Bühne war, der Computer abgestürzt! Das war einer der schönsten Momente, an die ich mich erinnern kann. Wir haben miteinander geredet, ich habe dem Publikum Papierfaltungen erklärt und zwischendurch haben wir ausprobiert, ob die Musik wieder läuft. Es entstand so eine ganz spezielle Stimmung der Unmittelbarkeit zwischen uns den Zuschauern. So etwas ist dann möglich, wenn eine Inszenierung  offen gestrickt ist.

Natürlich gibt es auch Abende, an denen es anders läuft. Die Reaktionen aus dem Publikum bekomme ich unmittelbar mit und spüre, wenn es nicht funktioniert. So eine richtige Wand aus Ablehnung habe ich zwar noch nicht erlebt. Aber manchmal entsteht Unruhe und die Aufmerksamkeit ist weg. In den ersten Jahren fiel es mir schwer, damit umzugehen. Sobald der Kopf ins Spiel kommt und du anfängst zu denken – „Alles nicht so schlimm, das stehst du schon durch“ – ist es mit der Konzentration vorbei. Inzwischen bin ich da entspannter. Auch in solchen Situationen gelingt es mir, den Fokus auf das zu richten, was ich da tue. Auf der einen Seite hat es mit Erfahrung zu tun, ich arbeite jetzt seit zwölf Jahren in der freien Szene. Zugleich ist es eine Frage des Selbstbewusstseins. Ich mache das, was ich mache. Und wenn es jemandem nicht gefällt, kann ich es auch nicht ändern.

Im Sommer 2015 war Antje Töpfer Stipendiatin des Goethe-Institutes in Kyoto – so lernte ich sie kennen. Lesen Sie auf Deutschland.de meinen Beitrag Von der Villa Kamogawa auf die Berlinale.

Antje Töpfer, Jahrgang 1978, arbeitet als freischaffende Künstlerin und Theatermacherin in Stuttgart, wo sie als gelernte Figurenbauerin in ihrem Atelier in der Wagenhalle auch Ausstattungen für Theaterproduktionen realisiert. Ihre aktuelle Inszenierung „3 Akte“ wird vom 15. bis 17. April in der Schaubude Berlin, am 11. Mai auf dem Festival Fidena in Bochum, am 4. und 5. November sowie am 2. und 3. Dezember im FITZ! Stuttgart zu sehen sein.

Beitragsbild: Luigi Consalvo

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