Foto-Gen

Vier Aufnahmen in Schwarz-Weiß. Damit fing alles an. Schon immer hatte Simone Naumann viel fotografiert, vor allem während ihrer Zeit als Verwaltungsleiterin am Goethe-Institut in Amsterdam. Damals war es für sie ein Ausgleich zum fordernden Job, mit der Kamera durch die Straßen zu laufen und das Leben in der quirligen Grachtenstadt festzuhalten. So richtig gefunkt hat es dann an einem sonnigen Tag im Mai 2008, auf einem Workshop in Fürstenfeldbruck. „Ich lief dort etwas ziellos durch die Gegend und wusste erst gar nicht, was ich fotografieren sollte“, erinnert sich die temperamentvolle Frau mit der dunklen Lockenmähne. Sie konzentrierte sich schließlich auf die unterschiedlichen Markierungen und Beläge auf den Straßen und schuf daraus ihren ganz speziellen Blick auf die Stadtlandschaft. Als das Ergebnis bei der Ausstellung am Abend recht prominent präsentiert wurde, keimte ein leiser Stolz. „Ich war zum ersten Mal mit meinen Fotografien in die Öffentlichkeit gegangen – und da kam dann schon so die Idee: Ja, ich kann fotografieren!“

Malheur mit Aha-Effekt

Umso größer war der Schreck, als das Bild auf der Rückfahrt in der S-Bahn stehen blieb. „Mein Mann wurde richtig weiß im Gesicht, als wir es zu Hause bemerkten“, erzählt Simone Naumann. Er schnappte sich sein Rad, fuhr zurück, passte die Bahn auf ihrem Rückweg ab und stand schließlich abgehetzt und stolz mit dem Bild in der Terrassentür. „Wie eine Trophäe hielt er es in der Hand!“ Bis heute ist dieser Moment für Simone Naumann ein Schlüsselerlebnis. „Dass meine Arbeit ihm so viel wert war, hat mir Vertrauen gegeben.“ Sie wagte den Schritt, machte sich als Fotografin für Unternehmensfotografie selbstständig und entwickelt Bildkonzepte für Websites.

Schön gerahmt lehnt die Straßenkomposition heute auf dem Regal, fast ein bisschen versteckt, in dem großen und hellen Studio im Münchner Westend. Simone Naumann braucht inzwischen viel Platz: In ihrer SMARTphotoschule lernen Teilnehmer aus Unternehmen, Agenturen oder Startups, wie sie Bilder und Videos auf professionellem Niveau produzieren. „Immer mehr Unternehmen setzen Mitarbeiter als Markenbotschafter bei der Vermarktung ihrer Inhalte über Social Media ein“, beobachtet die Fotografin. „Entscheidend für den Erfolg ist eine Bildsprache, die zum Unternehmen passt und authentisch rüberkommt.“ Sie nennt es Visual Storytelling.

“Mich hat interessiert, was man mit den kleinen Dingern machen kann.”

Schön fotografieren reicht ihr nicht: In ihren Workshops regt Simone Naumann zum Visual Storytelling an.

Von Anfang an setzte Simone Naumann auf die Smartphone-Fotografie. „Jeder denkt, das ist ganz einfach, aber so ist es nicht. Man braucht viel Hintergrundwissen, um dabei etwas Schönes herauszuholen.“ Sie selbst hat das Handwerk an der Prager Fotoschule in Österreich gelernt, berufsbegleitend. „Die vier Jahre waren schon heftig, aber ich wollte es unbedingt von der Pike auf lernen.“ Dicke Bände schleppt sie an, in denen alle Übungen aus dieser Zeit fein säuberlich dokumentiert sind. „Warum um Himmelswillen müssen wir ein weißes Ei auf weißem Grund mit gleichbleibendem Grauverlauf fotografieren, habe ich mich damals verzweifelt gefragt“, sagt sie lachend und tippt auf die Seite. Viel Weiß, ein Ei. Und nach vielen vergeblichen Versuchen: Kein Schatten mehr. „Bei der Produktfotografie haben mir diese Übungen später sehr geholfen!“  Als Unternehmensfotografin setzt sie auch Arbeitsräume in Szene, fotografiert Events und macht Businessporträts.

„Ich habe lange gezögert, Menschen zu fotografieren“, erzählt sie. Die Angst, ihnen womöglich nicht gerecht zu werden, habe sicher eine Rolle gespielt. “Vorher hatte ich schließlich immer Gegenstände und Materie vor der Kamera, die sich nicht bewegten!“ Sie begann, Passanten auf der Straße zu fotografieren, lernte ihre eigene Zurückhaltung zu überwinden und wurde freier. Heute schätzt sie diese ganz besondere Beziehung, die in der Porträtfotografie zwischen ihr und den Menschen vor der Kamera entsteht. „Mir ist es wichtig, dass sich meine Kunden nicht verstellen, sondern sich so zeigen können, wie sie sind. Ihre Persönlichkeit soll sichtbar werden, und ihre Kompetenz.“

Mit beiden Beinen auf dem Boden

Simone Naumann ist nicht nur eine leidenschaftliche Fotografin („Ich lerne dabei einfach so viel kennen!“), sie ist auch ein begnadetes Organisationstalent. Klar, bestimmt und strukturiert, so habe ich sie in Projekten wie der Blogger-Schule für junge Flüchtlinge in München erlebt. Es macht ihr einfach Spaß, etwas Neues auf die Beine zu stellen. „Geht nicht, gibt´s nicht, hat mein Vater immer gesagt“, erzählt die gebürtige Dresdnerin. In der Wendezeit machte sie eine Fachausbildung zur Betriebsökonomin und erlebte als Angestellte die Umwandlung der kleinen Firma in eine GmbH. „Ich habe die mit aufgebaut und dabei natürlich wahnsinnig viel gelernt.“ Schon damals hatte sie sich in ihrer Wohnung ein kleines Fotolabor eingerichtet – ein Projekt, das während der Familienzeit etwas „stagnierte“. Nach 15 Jahren in den Niederlanden, als beide Kinder allmählich aus dem Haus gingen, flammte die alte Liebe wieder auf.

Das strukturierte Arbeiten, zusammen mit vielen anderen Menschen – in dieser Kombination sieht sie selbst den roten Faden. „Verwaltungsleiterin klingt erstmal trocken, aber tatsächlich habe ich immer mit Teams gearbeitet“, stellt Simone Naumann fest. „Wir haben allen Bereichen zugearbeitet, von der Sprachenabteilung mit Verträgen und Honorarbuchhaltung bis hin zur Gebäudeverwaltung und dem Veranstaltungsmanagement. Es war diese Abwechslung, die ich so sehr liebte – und das ist bis heute so.“

Fotos: Konstanze Meindl (Porträt), Gunda Achterhold (Stadtlandschaft), SPS

Ein Gedanke zu „Foto-Gen

  1. Daniela

    Ja genau so kenne ich Simone … voller Schwung – Neugierde – es in die Hand nehmen und das feine Gespür für die Fotos. Sehr schöner Artikel. Gefällt, danke!

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