Minikleine Papierkästchen mit Deckel, ausgesucht schön beklebt, jedes ein Unikat – es war Liebe auf den ersten Blick. Ebenso wie die Kabelbinder: Putzige Tiergesichter aus Leder, in schillernden Farben, mit Druckknöpfen als Nase. Die Schweinchen scheinen einen direkt anzusehen, aus dem weinumrankten Schaufenster in der Mannhartstraße.
Wie oft bin ich vom Büro aus an diesem kleinen Laden entlanggegangen. Aber wie es immer so ist: Dann muss es schnell gehen, die Gedanken sind eh noch ganz woanders, und zack, ist man auch schon wieder dran vorbei. Im Mai war es dann soweit: Die Tür stand offen, und ich ging hinein.
Selten bin ich mit jemandem so schnell ins Gespräch gekommen. Eugenie Hinrichs kam auf mich zu, offenes Gesicht, freundliches Lächeln. Die lockigen Haare hochgesteckt, goldene Creolen. In den Händen hielt sie etwas Schwarzes – geflochtenes Pferdehaar. Sie verwendet es für ihren Armschmuck. Da waren wir gleich mittendrin.
Von Hand gemacht
Vor genau zehn Jahren gründete die Goldschmiedin ihren kleinen Laden „Auge & Hand“. Im Lehel, nur ein paar Schritte vom Isartor entfernt. Neben ihrem eigenen Schmuck stellt sie in dem Schauraum Arbeiten aus verschiedenen Ateliers und Werkstätten aus. Taschen von Vivian Holm (die praktischen Kabeltierchen sind auch von ihr), Papierlampen von Anna Hössle, Filigranes aus der Glaswerkstatt von Cornelius Réer, Keramiken aus verschiedenen Handwerksbetrieben oder die Bücherrahmen ihres Bruders, dem Architekturfotografen Johann Hinrichs. Eine kleine, feine Auswahl ist das, die immer wieder bereichert wird um schöne Dinge anderer Gäste. Den runden Lunchboxen aus Holz beispielsweise, die besonders in der Coronazeit ein Renner waren, oder die Babyrassel aus Korbgeflecht.
Eugenie Hinrichs ist Quereinsteigerin, sie kommt aus der Angewandten Kunst. In der Schmuckklasse der Münchner Kunstakademie machte sie ihr Diplom. „Ich wollte immer ein bisschen was Besonderes machen“, erzählt sie. Auf keinen Fall abgehoben, aber mit dem gewissen Etwas. „Mit den Händen zu arbeiten, das war immer meins.“ An der Akademie gestaltete sie Brunnen, arbeitete viel mit Gips und Beton. „Das war richtig schwere Arbeit.“ Ihre Hände zeigen auch an diesem Tag Spuren vom Werktisch, sie wirken zupackend – wie die ganze Frau. Ihr Schmuck soll tragbar sein, das ist der Münchnerin wichtig. Kräftige Farben, Korallenrot oder ein leuchtendes Grün. Eigenwillige Ohrgehänge und lange Ketten. Die filigranen Engelsflügelchen aus ihrer Werkstatt, ursprünglich entworfen für ihre Töchter, gehören seit 30 Jahren fest ins Repertoire. Hier und da hängen zierliche Kettchen aus Silber an den Regalen, zusammengesetzt aus diversen Kettenresten. Eugenie Hinrichs lächelt. „Die zu verarbeiten, da hatte ich in den letzten Tagen Freude dran.“
Lebendiger Treffpunkt im Viertel
Wenn man mit ihr im Laden steht, dauert es nicht lange, bis die Tür aufgeht und jemand vorbeikommt, um mal eben Hallo zu sagen. Oder selbstgezüchtete Tomatenpflänzchen vorbeizubringen. Oder ein Lastenrad auszuleihen. Für die Initiative Freie Lastenradl hat sie immer eines vor der Tür stehen, jeder kann es kostenlos ausleihen. Ihr Geschäft ist eine der Leihstellen, Eugenie Hinrichs übernimmt das Ausleihen ehrenamtlich. Warum sie das tut? „Das Gesellschaftliche wird mir immer wichtiger“, sagt sie, und packt die Unterlagen wieder weg. „Wir leben alle so getrennt voneinander, jeder bleibt für sich“, stellt sie fest. Nach Corona sei es noch schlimmer geworden. „Die Leute sind einfach nicht wieder herausgekommen, aus ihren Schneckenhäusern.“ Gemeinwohl, Miteinander, sich einbringen – bei Eugenie Hinrichs klingt das nicht nach Worthülsen. Sie macht.
Vor ihrem Arbeitstisch, an dem sie Perlen auffädelt oder neue Entwürfe skizziert, wenn gerade niemand kommt, lässt sich besichtigen, was Engagement schaffen kann. Ein Kartenständer beherbergt handgestempelte, farbenfrohe Karten mit vielen verschiedenen Motiven. Jede von ihnen sieht etwas anders aus. In den Workshops des Münchner Freiwilligen-Projekts PEACE of PAPER entwerfen, schneiden und drucken geflohene und lokale Menschen Stempelmotive und stellen damit Karten und Geschenkpapiere her. „Es macht Spaß, gemeinsam kreativ zu sein und sich gegenseitig zu helfen“, sagt Eugenie Hinrichs. „So lernen sich Einheimische und Geflüchtete besser kennen.“ Zweimal im Monat finden Stempelworkshops im Fat Cat statt, im Keller des ehemaligen Gasteigs hat der Verein einen Raum. Mit dem Erlös aus dem Verkauf werden Hilfsorganisationen unterstützt, die sich für Menschen entlang der Fluchtrouten einsetzen. Im Laufe der Jahre ist ein umfangreiches, vielfältiges Stempelarchiv entstanden, auf Bestellung (Achtung, Weihnachtspost!) lassen sich die handgestempelten Karten in jeder Anzahl liefern.
Vormittags Werktisch, nachmittags Verkauf
Goldschmieden, stempeln, verkaufen – das alles unter einen Hut zu kriegen, ist anspruchsvoll. Für den Einkaufsbummel im Lehel empfehle ich daher einen Blick auf die Öffnungszeiten von Auge & Hand : Morgens arbeitet Eugenie Hinrichs am Werktisch, von Dienstag bis Freitag ist der kleine Laden nachmittags von 15 bis 18.30 Uhr geöffnet.
Bilder: Gunda Achterhold
Ich hatte Mittwoch im Kopf – was stimmt?
Sehr schön!
Macht Lust dorthin zu gehen!
Danke liebe Gunda!