Welches Studium passt zu mir?
Nach zwei Jahren als Lehrerin an einer amerikanischen Schule in Atlanta kehrte Karin Hertzer nach Deutschland zurück und entschied sich für den Weg in den Journalismus. In München machte sie sich selbstständig, spezialisierte sich auf Gesundheitsthemen und arbeitet als PR-Beraterin für Kliniken und Ärzte. Mit ihrem Engagement für die Blogger-Schule München kehrt sie nun zu ihren beruflichen Wurzeln zurück: Das gemeinnützige Projekt organisiert Workshops für junge Flüchtlinge und bringt ihnen das Bloggen bei.
Liebe Karin, du wolltest ursprünglich Lehrerin werden. Wie bist du darauf gekommen?
Genau genommen habe ich mit Informatik an der TU Braunschweig angefangen. Ich war schon immer sehr gut in Mathe, es fiel mir leicht und ich hatte es auch als Leistungskurs im Abi. Der Vater eines Freundes war fest davon überzeugt, dass Informatiker sehr gefragt sein würden – er als Firmenchef musste es ja wissen dachte ich mir, und schrieb mich dafür ein.
Offenbar nicht sehr lange….
Immerhin drei Semester habe ich durchgehalten. Es studierten viele Nerds mit mir, leider waren wir nur wenige Frauen. Irgendwann merkte ich, dass Informatik doch nichts für mich ist. Aber aufgeben? Das traute ich mich nicht – denn wie sähe es denn aus, wenn eine der wenigen Frauen aufgibt? Dann hatte meine Mutter eine grandiose Idee! Du kannst Mathe und bist außerdem kreativ – warum verbindest du nicht beides miteinander? Und das habe ich dann auch gemacht. Ich studierte Mathe, Kunst und Werken fürs gymnasiale Lehramt und pendelte zwischen der TU und der Kunsthochschule hin und her. Dieses logisch Analytische mit dem etwas Spinnerten zu kombinieren fand ich sehr spannend!
In Deutschland hast du allerdings nie im Schuldienst gearbeitet. Warum?
Ende der Achtziger gab es hier viele arbeitslose Lehrer. Ich schickte Postkarten an Organisationen wie den Deutschen Akademischen Austauschdienst in Bonn, die Lehrer in die Staaten schickten – und ich hatte Glück. Ein Jahr unterrichtete ich Deutsch und Mathematik an einer Schule in Atlanta, einmal pro Woche habe ich eine Foto-AG angeboten. Das Unterrichten war anfangs gar nicht so einfach, denn dieses Südstaaten-Amerikanisch zu verstehen, forderte mich heraus – auch die Disziplinprobleme an der Highschool. Der Umgang mit den Schülern war für mich gewöhnungsbedürftig: Einerseits sind die Pädagogen in Amerika sehr lobend unterwegs, andererseits gibt es strenge Regeln für das Benehmen im Klassenzimmer. Es gab sogar Nachsitzzimmer! Trotzdem war es eine tolle Zeit, für die ich sehr dankbar bin. Nebenbei habe ich Deutsch am Goethe-Institut unterrichtet, so konnte ich mit den Lernerfolgen der Erwachsenen vergleichen. In meiner Freizeit habe ich Trompete in einer lustigen Bigband gespielt und habe mit dem Jonglieren angefangen. Fürs zweite Jahr bin ich nach Charleston in Süd-Carolina umgezogen, dort habe ich Mitarbeiter amerikanischer Unternehmen auf ihre Zeit in Deutschland vorbereitet. Da ich deren Familien zu Hause unterrichtete, konnte ich Amerika nochmal aus einer ganz anderen Perspektive kennenlernen.
Was hast du vom American way of Life mitgenommen?
Die feste Überzeugung, dass sich aus jedem Talent etwas machen lässt. Diese Einstellung hat mir sehr geholfen, denn auch nach meiner Rückkehr hatte ich im Schuldienst keine Chance. Erst habe ich nur gejobbt, dann rief ich kurzentschlossen bei der Braunschweiger Zeitung an und brachte ihnen einen Stapel Fotos vorbei. Ich wollte als Fotografin einsteigen, das hatte ich schließlich an der Kunsthochschule gelernt. Dieser Plan scheiterte jedoch am Widerwillen des Fotochefs, weil er meinte, dass das Fotografieren wegen der schweren Kameras und der nächtlichen Einsätze ein zu anstrengender Job für eine Frau sei. Er fragte mich, ob ich schreiben könne. Und da ich ja aus den USA wusste, dass man aus seinen Talenten immer etwas Gutes machen kann, sagte ich zu – erst als Pauschalistin, dann als Volontärin – und lernte in allen Ressorts und Abteilungen das Journalistenhandwerk. Selbst Traueranzeigen habe ich verkauft!
Seit gut zehn Jahren arbeitest du fast ausschließlich als PR-Beraterin im Gesundheitsbereich. Was hat das noch mit deinem Studium zu tun?
Fotografie, Bildaufbau und Bildbearbeitung oder auch Video, das sind alles Sachen, die ich im Studium gelernt habe und die ich bis heute im Job brauche. Der Blick für das Ästhetische ist einfach da. Und was mir immer wieder hilft, ist das Vertrauen auf meine beiden Gehirnhälften! Das gibt mir den Mut, einfach mal loszumachen und darauf zu bauen, dass das schon okay ist. Manchmal huscht mir was durch den Kopf und ehe ich mich versehe, passt es auf einmal! Dieses Zutrauen hat viel mit meinem Studium zu tun, in dem ich meine verschiedenen Talente ausleben konnte – auch im Rückblick war das wirklich eine gute Idee von meiner Mutter!
Im September 2015 hast du die Blogger-Schule München ins Leben gerufen, ein gemeinnütziges Projekt, das jungen Flüchtlingen eine Stimme geben will. Ist das jetzt ein “Back to the roots”?
Ja, so schließt sich ein Kreis. In dieses Projekt kann ich all meine Erfahrungen und Kenntnisse einbringen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Wir besuchen regelmäßig eine Mittelschule und eine Wohneinrichtung und bringen den Teilnehmern das Bloggen von der Pike auf bei. In dieser Arbeit kommt alles zusammen, auch meine Erfahrung als Moderatorin von Podiumsdiskussionen und unsere Workshops für angehende erwachsene Blogger.
Du investierst sehr viel Zeit in den Aufbau der Bloggerschule. Was motiviert dich?
Dieser großen gesellschaftlichen Herausforderung konnte ich mich nicht entziehen, ich wollte unbedingt etwas Sinnvolles zur Integration machen – und zwar dort, wo ich auch langfristig etwas bewirken kann. Gerade den vielen jungen, zum Teil unbegleiteten Flüchtlingen können wir noch so viel mitgeben auf ihrem Weg in die Zukunft. Unser Ziel ist es, sie zum selbständigen Tun anzuleiten und ihnen Medienkompetenz vermitteln. Wenn sie auf unserem Schulblog genügend Erfahrung gesammelt haben, können wir ihnen zeigen, wie sie einen eigenen Blog starten. Sie können auch an unseren Fortbildungen beim Blogger-Stammtisch München teilnehmen, dort integrieren wir sie dann in die Welt der erwachsenen Blogger.
www.karinhertzer.de
www.warmup-cooldown.de
www.blogger-schule.de
www.blogger-stammtisch.de
www.profi-blogger.de
Foto: Ortrud Stegner