Angst vorm Serienstempel

Mein erstes Promi-Interview im Bayerischen Hof

Warum ist mir das Gespräch mit dem Schauspieler Klaus Löwitsch so nachhaltig in Erinnerung geblieben? Ich denke häufig daran, wie ich im Juli 1998 den Bayerischen Hof betrat, mich in den verwinkelten Gängen erst einmal verlief und schließlich vor der Suite 49 stand. Als sich die Tür öffnete, sah ich einen kleinen Mann mit Glatze, der sich vom Sofa erhob und mir die Hand entgegen streckte. Ich war kein ausgesprochener Krimi-Fan, aber mehr als sechzig Folgen der Fernsehserie „Peter Strohm“ waren auch an mir nicht vorbeigegangen. Klaus Löwitsch spielte darin einen raubeinigen Privatdetektiv mit grenzwertigen Methoden – das Image „Macho der Nation“ klebte seither an ihm.

Es war mein erstes Interview in einem so hochoffiziellen Rahmen. Für die dpa sollte ich über Löwitsch schreiben, der für seine Rolle in dem Fernsehfilm „Das Urteil“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden war. Ich hatte mich gut auf das Interview vorbereitet – und das Bild eines Mannes gewonnen, der mit „inkompetenten Fernsehheinis“ und Journalisten nicht gerade zimperlich umgeht. Wenn ihm Fragen nicht passten, konnte er auch schon mal aufstehen und gehen.

Eine Horrorvorstellung! Für einen Bericht erhielt ich damals 60 Deutsche Mark – die Hälfte davon ging direkt an unseren Babysitter, der an diesem Nachmittag auf meine beiden kleinen Töchter aufpasste. Ein geplatztes Interview wäre ein herber Schlag ins Kontor gewesen. Ich konnte schwer einschätzen, was da auf mich zu kam, wollte den Schauspieler aber auf jeden Fall auch zu seiner Rolle als agent provocateur befragen. Schließlich schreckte er die Öffentlichkeit immer wieder gerne mit  Sympathiekundgebungen für Haiders FPÖ auf und outete sich zugleich als „PDS-Fan“.

Leichte Panickattacke

Ich war innerlich noch damit beschäftigt, mich in dem weitläufigen Raum zu orientieren, da griff die freundliche PR-Agentin, die uns einander vorgestellt hatte, zu ihrer Jacke. Mit den Worten „Ich lasse sie beiden dann mal alleine!“ verabschiedete sie sich und war im nächsten Augenblick entschwunden. – Es gab später viele Interview-Termine in diversen Hotelzimmern und Suiten, bei denen ich mir deutlich weniger PR-Aufsicht gewünscht hätte. An diesem Tag nicht.

Ich hatte keine Angst vor Klaus Löwitsch. Aber Angst davor, dass die Situation entgleiten könnte. Vielleicht ist es genau das, was bei mir so stark hängengeblieben ist: Der Kontrast zwischen der leichten Alarmstimmung, in der ich mich befand, und dem Gespräch, das dann stattfand. Es war eines der besten, die ich jemals geführt habe. Löwitsch war ein höflicher, aufmerksamer Gesprächspartner. Was mir auffällt, wenn ich heute die Aufzeichnungen von damals lese: Da findet sich keine einzige Phrase, der Mann ging voll aus der Deckung. Offen sprach er von seiner Angst, als gescheiterter Serienprotagonist auf dem Strohm hängen zu bleiben, und seiner großen Hoffnung, sich nun wieder dem zu nähern, warum er vor mehr als dreißig Jahren Schauspieler geworden war. Ja, wir sprachen auch über die PDS und er konnte sich mächtig aufregen, über die schwierige Annäherung von Ost und West, über Ausgrenzung, Pluralismus und Pseudo-Opposition. Aber er wollte nicht mehr den Weltverbesserer spielen: „Ich muss mir abgewöhnen, immer die Haare in der Suppe zu finden.“

So ganz anders als gedacht

Wir redeten lange und nahmen anschließend gemeinsam den Fahrstuhl. Löwitsch erzählte mir von seiner betagten Mutter, die in Wien lebte, und als wir unten ankamen, verabschiedete er sich mit einem dezenten Handkuss von mir. Wir gingen in unterschiedliche Richtungen – und  ich hatte den “Macho der Nation” ganz anders kennengelernt.

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