Das erste Mal als Krisenmanagerin

Meret Brotbek, Procurement Managerin

Mit 24 hatte ich meinen ersten Einsatz als Sicherheits- und Krisenmanagerin in Qatar. Ein absolutes Megaprojekt mit 150.000 Mitarbeitern aus neunzig Nationen. Bei 50 Grad Hitze kam ich mitten in der Wüste an und der Anblick war überwältigend. Eine Riesenanlage aus gigantischen Kühlaggregaten, in denen Gas herunter gekühlt und zum Transport verflüssigt wird. Um mich herum ausschließlich Männer. Alle waren in unförmigen Schutzanzügen angezogen wie Astronauten. Ich wurde sofort davor gewarnt, einfach so aus dem Auto zu steigen – die Männer hatten seit Monaten keine Frau mehr gesehen. Das war der Moment, in dem ich mich fragte: Was tue ich hier eigentlich?

Ich stand neben meinen neuen Kollegen, lauter Zwei-Meter-Männern aus Südafrika, die von Spezialeinheiten der Armee kamen, und wusste: Jetzt musst du professionell wirken, sonst hast du verspielt. Ich bin eher klein und werde schon mal für die Sekretärin gehalten. Deshalb weiß ich, wie entscheidend die ersten drei Stunden sind. Mit Charme und einem Lächeln lässt sich eine gute Atmosphäre schaffen – aber das reicht nicht. Ich musste zeigen, dass ich kompetent bin und weiß, was ich da tue.

Dabei war für mich selbst alles neu. Ich hatte Jura und Krisenmanagement in Paris studiert und anschließend im französischen Außenministerium gearbeitet. Da ging es allerdings eher um Sicherheitspläne für die Botschaft. Eine richtige Krise hatte ich noch nie erlebt! Was macht man bei einem Kidnapping oder wenn Krawalle ausbrechen? In einem Großprojekt wie in Qatar leben so viele Leute, so viele Nationen auf engstem Raum. Alle super gestresst und müde. Da reicht eine Kleinigkeit – schlechtes Essen oder ein Konzert, das nur für einen Teil der Mitarbeiter zugänglich ist, und im Nu entwickelt sich ein Aufstand. Das alles wusste ich an diesem ersten Tag noch nicht. Aber irgendwie habe ich es geschafft, glaubwürdig zu wirken. Ich war immer sehr positiv und zuversichtlich, lege nicht jedes Wort auf die Goldwaage – das hat sicher geholfen, ein gutes Verhältnis zu diesen sehr militärisch geprägten Kollegen zu entwickeln. Ich denke, es ist so eine Kombination aus Charme und Bestimmtheit, die Vertrauen und zugleich Respekt aufbaut. Eine wichtige Voraussetzung, denn ich habe wahnsinnig viel von meinen Kollegen gelernt. Sie hatten schon alle möglichen Krisen selbst erlebt und wussten, was im Ernstfall zu tun ist. Jedes Projekt, in das ich später gegangen bin – einmal auf einer Insel in Indonesien, die nur mit dem Helikopter erreichbar ist – baute auf diesem Wissen auf. Natürlich gab es immer wieder schwierige Situationen. Aber ich wusste, das kriege ich hin. Denn ich hatte es schon so oder so ähnlich erlebt.

Beitragsbild:privat

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